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Soziale Fähigkeiten digitaler Spiele – insbesondere unter Wettkampfbedingungen

Von der LAN-Party zum SPIELRAUM und zurück

Wir schreiben das Jahr 2008. Die größte LAN-Party Westösterreichs mit rund 150 TeilnehmerInnen schließt gerade ihre Türen, als drei übernächtige Jungs aufgeregt und zappelig fragend vor mir stehen:

Weißt du, wann wir das nächste Mal zusammen auf eine LAN-Party gehen können? Das war einfach so cool! Viel besser, als wenn wir nur über das Internet miteinander spielen.

Zu dieser Zeit hatte ich einen Fachhandel für PC- und Konsolenspiele in Telfs – der drittgrößten Gemeinde Tirols – und war einer der Sponsoren und Gäste der RathausLAN. Nicht nur die einleitend erwähnten Jungs waren nachhaltig von diesem Event beeindruckt. Wie sich herausstellte, ging es sehr vielen TeilnehmerInnen ähnlich. Über Wochen hinweg wurde ich von KundInnen das Gleiche gefragt: „Wann können wir wieder miteinander auf einer LAN spielen?“ Die nicht enden wollende Nachfrage hat schlussendlich dazu geführt, dass eines Abends die Idee der ARENA geboren wurde – sozusagen die Möglichkeit einer „Immer-LAN-Party“ im Hinterzimmer meines damaligen Ladens.

Blick in die Arena

Dieser Idee liegt der Grundgedanke vom digitalen Spiel im öffentlich zugänglichen Raum zugrunde, dem ich mich seither verschrieben habe. Entstanden ist daraus –nach mehreren Prototypen und knapp zehnjähriger Entwicklungszeit – der SPIELRAUM im Herzen von Innsbruck. Dort können bis zu 25 Personen jederzeit zusammen spielen und sich dabei sehen, hören, riechen und somit ganzheitlich erleben. Derzeit zählen wir über 900 Mitglieder aus über 130 verschiedenen Gemeinden die mehr oder weniger regelmäßig zu uns kommen. Dabei treten vermehrt soziale Aspekte in den Vordergrund, die vor allem dem digitalen Spiel zu verdanken sind und durch Wettkampfbedingungen verstärkt werden.

eSport offenbart soziales Potenzial digitaler Spiele

Das digitale Spiel besticht vor allem durch seine Integrationsfähigkeit. Dabei tritt die Maschine bzw. der Code als ultimativer Schiedsrichter auf, gibt klare Regeln vor, die ausnahmslos von allen TeilnehmerInnen eingehalten werden müssen und beurteilt das Spielgeschehen naturgemäß vollkommen wertfrei. Dabei ist es bedeutungslos, woher eine Person stammt, wie alt sie ist oder welchem sozialen Umfeld sie entspringt. Entscheidend ist einzig und allein die Spielleistung. Diese Gleichstellung aller Personen ermöglicht ein leichteres und offeneres Miteinander. Sie schafft somit den Raum für ein gemeinsames Erlebnis, das im besten Fall zu neuen Freundschaften führt. Vor allem, wenn diese gemeinsame Aktivität nicht räumlich getrennt stattfindet.

Diese Wirkungen können mit einem konkreten Beispiel aus dem SPIELRAUM besser veranschaulicht werden: unter unseren Kunden befinden sich auch zwei rivalisierende Innsbrucker Jugendgruppen. Saß eine der Gruppen im Raum, schaute die andere kurz herein und verließ sofort fluchend wieder die Lokalität. Das scheinbar einzig verbindende war Gears of War – ein Shooter, den beide bei uns regelmäßig spielten. Folglich hatten sich auch beide Gruppen zum ersten Gears of War-Turnier angemeldet. Der Beginn war höchst emotional und nach Schimpftiraden schien die Veranstaltung zu kippen. Erst nach der Androhung von Disqualifikationen trat Ruhe ein und die Kontrahenten konzentrierten sich wieder auf das Spiel. Nach einem spannenden Turnierverlauf trafen die beiden Teams dann tatsächlich im Finale aufeinander. Es folgten ca. 60 nervenaufreibende Minuten, die ganz knapp ein Siegerteam hervorbrachten. Während des Spielverlaufs konnte man klar bemerken, dass sich die anfängliche Stimmung änderte. Die Feindseligkeit schien zusehends dem Respekt für die erbrachte Spielleistung zu weichen und zum Schluss kam es sogar zu einem Handshake zwischen den zuvor verhassten Jugendlichen.

Die nachhaltige Wirkung dieses höchst leidenschaftlich verlaufenden Finales sah man in der folgenden Woche, als es zum nächsten Zusammentreffen der beiden Truppen kam. Das erste Mal wurde der SPIELRAUM nicht von den Rivalen verlassen, sondern man entschied sich zu bleiben, gegeneinander zu spielen und gemeinsam zu trainieren. Es sollte nicht das letzte Mal sein. Drei Monate später beim zweiten Gears-Turnier kam es aufgrund einer Krankheit dann sogar zur Vermischung der Gruppen.

Dieses Beispiel zeigt auf, wie wertvoll digitale Spiele und insbesondere eSport Veranstaltungen sein können, wenn man ihnen einen öffentlich zugänglichen Raum dafür gibt  und die Begegnung nicht nur rein virtuell passiert, sondern sich auch die Charakter hinter den Avataren begegnen.

Blick in den SPIELRAUM

Es ist eine zentrale menschliche Neigung persönliche Interessen und Leidenschaften gemeinsam zu erleben, sich dabei auszutauschen und den Kontakt mit Gleichgesinnten zu suchen. SportlerInnen tun dies meist in Vereinen, MusikantInnen in Kapellen. Im Gegensatz dazu steht das digitale Spiel, dem meist isoliert in den eigenen vier Wänden und somit räumlich getrennt von anderen nachgegangen wird. Die Kommunikation erfolgt primär über technische Hilfsmittel und die soziale Interaktion beschränkt sich auf die Spielwelt.

Im SPIELRAUM haben wir die Erfahrung gemacht, dass digitale Spiele in öffentlich zugänglichen Räumen vermehrt Menschen und Kleingruppen verbindet. Oft sind sie es nicht gewohnt, dass sie unbeschwert und vor allem persönlich über ihr Hobby philosophieren können und dabei Respekt und Verständnis für diese Leidenschaft erfahren.

Im SPIELREAUM gelingt dieses „Verknüpfen“ vor allem den eSport-Titeln „Overwatch“ und „Rocket League“. Die leicht zugänglichen Spiele ermöglichen einen schnellen kooperativen oder kompetitiven Einstieg. Auch die steigende mediale Aufmerksamkeit dieser Mehrspielerperlen aufgrund erfolgreicher internationaler eSport-Events tragen dazu bei.

Bei uns zeigt sich das primär durch die vermehrten Anfragen für Public Viewings der wichtigsten Turniere, was dem digitalen Spiel schlussendlich zusätzliche öffentliche Wahrnehmung bringt. eSport gelingt es gerade durch solche Aspekte Fankultur zu schaffen, die für sehr viele andere Sportarten den Grundpfeiler ihres Erfolges bilden. Genau diese Erlebnisse führen schlussendlich auch zu neue Bekannt- oder sogar Freundschaften.

Die 1. Friends-Night zeigt die Bandbreite der SPIELRAUM-Mitglieder

Nikolaus Staudacher

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